Theater – die pure Zuspitzung und Stilisierung der menschlichen Befindlichkeit – legt frei, macht erlebbar und fühlbar, was zeitlos ist und für mehr als nur einen Kulturkreis gilt. Diesem primordialen Theaterverständnis fühlt sich das Pygmalion Theater verpflichtet. Wir beschreiten einen Menschheitsweg entlang der Meilensteine dramatischer Literatur und langen im 20. Jahrhundert unausweichlich bei Kafka an. Das Trauma des modernen Menschen hat in nichts so sehr eine Verkörperung gefunden, wie in der Figur vom Herrn “K”, die unter anderen Namen im Gesamtwerk Kafkas immer wieder zu finden ist. Wir sehen es als unsere Aufgabe, alle möglichen Facetten dieses Mythos auf die Bühne zu bringen, um es dem Publikum zu ermöglichen, sich in immer neuen Blickwinkeln damit auseinander zu setzen. Denn Kafka hat Substanz und ist zugleich ungreifbar. Aus der Summe scheinbar banaler, sachlicher Beschreibungen erhebt sich zuletzt wie ein Umspringbild eine Gestalt in den Vordergrund, die sich trotz ihrer massiven Erscheinung der Kontrolle durch den Geist und Hausverstand entzieht. Es ist dies das zu einem Mythos geronnene Modul unserer menschlich-existenziellen Befindlichkeit. Keine Antigone der Neuzeit vermag die kritischen Barrieren des Rezipienten so subtil zu durchdringen wie der in Ausweglosigkeit verstrickte Held bei Kafka. Hält man das bei Kafka Gesagte auf Distanz, so hat sich das Angedeutete schon eingeschlichen.
Was wir jetzt noch möglicherweise sagten, um Kafkas Werk zu loben oder zu schelten: wir tun es schon anders, nämlich mit der Sprache des in die Unsicherheit Getriebenen. Anders gesagt: der Mythos trifft. Kafka hat ihn wie ein Besessener gestaltet. Nun lassen wir, als sei das Theater ein Versuchslabor, die Schauspieler alle Schritte von Kafkas Helden nachvollziehen. Vor dem Publikum erschaffen wir Räume, in denen die Verlorenheit der Kafka'schen Protagonisten demonstriert wird. Vor unseren Augen zerbrechen Welten – und uns bleibt kein Mittel als die bittere Reflexion, um uns unsere gesellschaftlich normierte Zuversicht zu bewahren.
Der 1883 geborene Dichter aus Prag, der 1924 in Wien/Umgebung verstarb, ist die prominenteste Literaturikone der Neuzeit. Zu seinen Lebzeiten gelangte nur ein Bruchteil seiner Schriften an die Öffentlichkeit. Der heitere Kinogeher und gewissenhafte Versicherungsangestellte schrieb wie ein Besessener. Seinen ersten Roman “Das Urteil” schrieb er in nur einer Nacht. Seine zum Teil fragmentarischen Werke “Der Prozess”, “Das Schloss”, “Bericht für eine Akademie”, “Amerika” und “Die Verwandlung” hat das Theater Pygmalion im Laufe der letzten Jahre dramatisiert und mit großem Erfolg auf die Bühne gebracht. Es handelt sich um Meilensteine der Literatur, um Werke, die der Dichter testamentarisch dem Feuer überantwortet gesehen haben wollte. Ein Wille, dem sich die Nachwelt widersetzen musste.
Herr K. wird von der Verwaltung eines Schlosses zum Landvermesser ernannt. Er möchte im Schloss vorstellig werden, doch dieses ist einen beschwerlichen Weg weit entfernt gelegen. Es herrscht harscher Winter und die Strassen sind vom vielen Schnee nahezu unzugänglich. Wird K. jemals das Schloss erreichen? Wird er imstande sein, Friedas ungestümer Liebe zu widerstehen? Wird er seinem Weg treu bleiben? Und wird er überhaupt in der Lage sein, all seine Pflichten zu erfüllen?
Das modern gestaltete Bühnenbild, welches unzählige Möglichkeiten eröffnet, vermengt sich perfekt mit dem Lichtarrangement, den Kostümen und Requisiten, welche das Profil der Vorstellung noch klarer zur Geltung bringen, zu einer aufregenden Vorstellung.
V. Dumitrescu, Actualitatea culturala, 8-14 July 2003/Bucharest
... eine sehr gut gemachte theatralische Übersetzung der wichtigsten Teile des Romans... geschaffen von Regisseur Geirun Tino, der auch das Bühnenbild dieser Vorstellung entworfen hat.
Ileana Lucaciu, Timpul liber, 13/18 February 2003 / Bucharest
Ein blendender szenischer Vorschlag, der in einer exzellenten theatralischen Adaption des Regisseurs Tino Geirun auf Schauspieler traf, die über die Sprache hinaus einem Vorstellungsstil Leben einhauchten, der das gesamte Publikum berührt.
Julio Cejas, Rosario/12, 7. Dezember 2003, Argentinien
... Eine sehr originelle Umsetzung der Vorstellungskraft des Autors auf mystische, archetypische und existentielle Weise, das ist faszinierend.
...die Inszenierung unterstreicht die emotionellen Zustände, die Atmosphäre. Sie entwickelt eine moderne, trostlose Theatersprache, in welcher Dramatisches ebenso wie Absurdes das Groteske, Humor und Ironie nicht ausschliessen.
N. Stancu, Curierul National, 6 February 2003 / Bucharest
"...Es gehört dies mit zu den Geheimnissen und zu der absoluten Einzigartigkeit von Kafkas Dichtkunst, daß für den richtigen Leser der unvollendeten großen Romane von einem gewissen Punkt an, in dem die Voraussetzungen nahezu ohne Lücke gegeben sind, der äußere Abschluß an Wichtigkeit verliert.”
Max Brod. Aus: »Nachwort zu Franz Kafkas Roman 'Das Schloß'«. In: 'Berliner Tageblatt', 1. Dez. 1926
"...Es spricht für die unabdingbare Eigenheit der Anlage Kafkas, daß er aus Fehlern nichts lernt. Mißlingen und Mißlingen multipliziert sich ihm nie zu Gelingen. Die Schwierigkeiten bleiben immer dieselben, als handle es sich darum, das Unüberwindliche ihrer Natur zu demonstrieren.” Elias Canetti. Aus: 'Der andere Prozeß. Kafkas Briefe an Felice.' München 1969.