Kafka auf der Bühne? - Geht schief. Jedes Mal. Absolut jedes Mal. Weil Kafka Sprache ist, die sich zu Szenen verdichtet, nicht Szene, die sich in Sprache ausdrückt.
Darum geht Kafka auf der Bühne schief. Jedes Mal.
Fast jedes Mal.
Im Pygmalion Theater gelingt es Geirun Tino, eine dem Text gerechte Fassung des unvollendeten "Amerika"-Romans (anderer Titel: "Der Verschollene") zu erstellen und sie mit Philipp Kaplan und Vlad Gavris höchst erfolgreich auf die Bühne zu bringen. Die ist leer - wie um zu demonstrieren, dass es keiner Kulissen bedarf, wenn man zwei Schauspieler hat, die sie mit Präsenz, Aktion und Sprache ausfüllen.
In Tinos Bühnenfassung gerät der junge Karl Roßmann (Vlad Gavris) an einen Straßenmaler (Philipp Kaplan), der von Zeichnung zu Zeichnung die Rollen von Karls Begegnungen assimiliert. Als immer dominante Person spielt er mit dem immer unterlegenen Karl.
Ramponierte Magritte-Gestalten
Das könnte eine schwerblütige Geschichte ergeben. Das Gegenteil ist der Fall: Die beiden kommen als ramponierte Magritte-Gestalten herein, tänzelnd, immer in Bewegung, balletuös beinahe: Stummfilm-Komik, Charlie Chaplin spielt Theater des Absurden. Kafka gerät da unversehens ganz in die Nähe von Samuel Beckett. Godot - ein Amerikaner?
Kaplan sprudelt den Text heraus, wiederholt, baut sinnlose Silben ein. Dominanz bedeutet auch, den Anderen nicht zu Wort kommen zu lassen. Gavris, ein zerbrechlicher Pierrot im dunklen Anzug, blickt mit staunenden Augen auf eine Welt und auf Menschen, die sich seinem Verständnis entziehen. Nur einmal, ganz am Schluss, trumpft er auf. Einmal nicht dominiert werden, einmal selbst dominant sein! Und damit das Spiel beenden.
Die Aufführungen im Pygmalion Theater sind im Niveau unterschiedlich (wie in allen Theatern, nebenbei bemerkt) - diese ist fabelhaft und verdient, gerade mit Kaplan und Gavris, alle Aufmerksamkeit des Publikums. Die Spielpläne werden kurzfristig erstellt - also auf die Homepage schauen, wann sie wieder angesetzt ist. Absolut einen Abend wert!